Samstag, 2. Februar 2008

3. Tag - Besuche bei Maini und bei Mr. Harsha

Wie üblich stand der Wecker auf 7 Uhr und der am Vorabend gecharterte Bus sollte um halb neun vor dem Tor warten. Zu unserer Überraschung kam der Bus nicht und wir mussten Taxen bestellen. Mit einiger Verzögerung starteten wir dann um halb zehn mit einem Minibus und einem Geländewagen, in die sich die (nach Durchfall verbliebenen) 13 Teilnehmer zwängten.

Eineinhalb Stunden später und halb betäubt/vergiftet von Verkehr/Abgasen erreichten wir unser erstes Besuchsziel Maini. Dort begannen unangenehme Verhandlungen mit den Fahrern, die auf dem für vier Fahrzeuge vereinbarten Preis bestanden. Das Ganze endete mit einem Kompromiss.

Maini ist ein rasend schnell wachsender Hersteller von Gabelstaplern, Golf- und Elektrofahrzeugen und Zulieferer für die Kfz- und Luftfahrtindustrie. Die märchenhaften Wachstumsraten von mehr als 50% pro Jahr erfordern regelmäßige Neubauten von Fertigungshallen und das Unternehmen ist mittlerweile allein in der von uns besuchten Industriezone an 6 Standorten vertreten.

Der charismatische Juniorchef Gautam Maini erläuterte das Geschäftskonzept und stellte sich auch bereitwillig unseren Fragen betr. Maini und die indische Wirtschaft. Maini kauft z.B. für die Herstellung der an die Kfz-Industrie gelieferten Teile fast ausschließlich gebrauchte Maschinen in Europa und setzt diese nach Aufarbeitung und Optimierung äußerst effizient ein.

In puncto Qualität berichtete man uns beispielhaft von 6 fehlerhaften Teilen bei einer Gesamtliefermenge von über 9 Mio. Teilen. Das dürfte 6-Sigma deutlich toppen. Maini erreicht diese Resultate u.a. mit akribischen Qualitätskontrollen und permanenter Prozessoptimierung.

Interessant waren auch die Ausführungen zum Personalbereich. Die Mitarbeiter bekommen für jeden ohne Fehltage absolvierten Monat im Folgejahr einen Tag Urlaub. Man kann also jährlich nachträglich max. 12 Urlaubstage erreichen, wenn man nicht krank war oder sonstwie fehlte. Obligatorisch ist im uebrigen die 48-Sunden-Woche. Jeder Mitarbeiter (auch Herr Maini selbst) muss wöchentlich außerhalb der Arbeitszeit mindestens 1 Stunde Schulungen absolvieren. Ferner wird erwartet, dass jeder wiederum außerhalb der Arbeitszeit in Projektteams zur Prozessoptimierung mitwirkt. Eine Lohnfortzahlung im Kankheitsfall seitens des Arbeitgebers existiert nicht und der Arbeitnehmer erhält nur Geld von seiner Sozialkasse. Herr Maini äußerte sich befremdet über die diesbezügliche Praxis in Deutschland.

Uns gingen so manche Gedanken durch die Köpfe, was wohl geschehen wird, wenn die indischen Unternehmen in breiter Front den Weltmarkt und auch die deutsche Wirtschaft aufmischen. Bisher bilden die Achillessehne der indischen Wirtschaft laut Herrn Maini vor allem die katastrophale Infrastruktur sowie die ausufernde Bürokratie und das Rechtssystem. Vor China hat man keinerlei Angst und fühlt sich aus vielerlei Gründen (z.B. Entwicklung der Alterspyramide) für die Zukunft besser aufgestellt.

Manche Feinheiten erläuterte Herr Maini nicht nur mit Stolz, sondern dem Haifischlächeln des Siegers. Nach unserem Gespräch mit Herrn Maini durften wir die Fertigungsanlagen besichtigen und uns persönlich von den hohen Qualitätsstandards überzeugen. Leider war die Zeit so schnell vergangen, dass wir anschließend aufbrechen mussten zu unserem zweiten Besuchziel SAP.

Das sicherheitshalber geführte Telefonat ergab zur allgemeinen Überraschung, dass dieser Besuch nun erst am morgigen Tag unserer Weiterreise stattfinden sollte und damit ausfallen musste. Stattdessen ermöglichte uns Mr. Harsha freundlicherweise nach kurzer telefonischer Rücksprache die Besichtigung seiner nahe gelegenen chemischen Fertigungsanlagen.

(Horst-G. Lippold)

Ein Mitarbeiter von Herrn Harsha wurde damit beauftragt, uns von Maini abzuholen. Da das Unternehmen allerdings 6 Produktionsstädten in Bangalore besitzt hat sich die Abreise etwas verzögert. Bei der Anreise zur Firma wurde uns etwas mulmig zu mute, denn niemand hätte gedacht, dass sich in in einer recht unscheinbaren Gegend ein pharmazeutisches Unternehmen mit einer Versuchsanlage und einer Abteilung für Forschung und Entwicklung niedergelassen hat. Das äußere Erscheinungsbild schreckte zunaechst ab, doch das Unternehmen scheint sehr gut gefuehrt zu sein. Der Mitarbeiter von Herrn Harsha erklärte uns die wesentlichen Prozessabläufe, z.B. das Arbeiten unter Vakuum und Stickstoffatmosphäre, die Ansatzgrößen und verschiedene Anlagenelemente, chemische Prozesstzpen und vieles mehr.

Naserunzelnd durchschreiten wir die Anlagen und Labore denn der Duft von Aminen und Schwefeloxiden hing in der Luft. Trotz all der ungewöhnlichen Zustände im Labor und in der Produktion scheint das Unternehmen einem enormen Qualitätsanspruch zu genügen. Sie arbeiten streng nach ISO 9001/2000 Zertifizierung und die hohe Anzahl an gefertigten Produkten (an die 400 Stück) belegt dies. Abnehmer sind weltweit tätige Medikamentenhersteller und Biochemie-Unternehmen . Es ist einfach enorm in wiefern es hier moeglich ist mit den einfachsten Mitteln ein solch florierendes Geschaeft mit sensiblen Substanzen zu betreiben. Ein wirklich Interessanter Rundgang in einer anderen Welt.

(Patrick)

Nach diesem Besuch sind wir wieder knapp zwei Stunden durch die Rush Hour zurück zum Bowring Club (eigentlich Bowring Institute) gefahren. Nach einer Dusche und Verschnaufpause stand allen Teilnehmern dann der Sinn nach etwas Shopping und einer magenfreundlichen „europäischen“ Pizza. Bis 22 Uhr waren dann alle wieder im Garten des Bowring Club versammelt, um den Abend im Sinne von Weiberfastnacht standesgemäß ausklingen zu lassen.

Tja, and if I don´t see you:
good afternoon, good evening and good night.

(Horst-G. Lippold)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Für Herrn Lippold:

Bremen 1 - Bochum 2 :-)